Es lässt sich nicht mehr genau feststellen, wann die ersten Zuckertüten verwendet wurden oder wo. Aber es gibt schriftliche Berichte, aus denen sich zumindest ableiten lässt, dass die Zuckertüte im Osten Deutschlands verbreiteter war als im Westen.

Vor allem war sie in protestantischen Gegenden bekannter als im katholischen Süden. Außerdem war sie in den Städten verbreiteter als auf dem Land. Denn die Schule war dem gehobenen Bürgertum wichtiger als der Landarbeiterschicht. Auf dem Land gab es stattdessen manchmal eine große „Kuchenbrezel“ für die Erstklässler.

Die Zuckertüte entstand in Ostdeutschland

In Ostdeutschland wurde sie 1810 zum ersten Mal erwähnt. Sie sollte in Sachsen den kleinen Kindern den „Abschied vom Elternhaus“ mit einer Zuckertüte versüßen. 1817 berichtete sogar eine Zeitung aus Jena, dass ein Schüler eine „mächtige Tüte Konfekt“ zur Einschulung erhalten habe.

Im Osten waren die Tüten übrigens häufig sechseckig, während sie im Süden rund waren. Zudem waren sie etwas größer. Die Größe hing aber auch immer von den finanziellen Möglichkeiten der Eltern ab.

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde versucht, die Schultüten durch „Einheitstüten“ mit Hakenkreuz zu ersetzen, was allerdings nicht gelang.

Der Zuckertütenbaum

1852 erschien in Dresden dann ein Bilderbuch mit dem Titel „Zuckertütenbuch für alle Kinder, die zum ersten Mal in die Schule gehen“, welches sogar von einer Lehrerzeitung empfohlen wurde. 1920 gab es ein weiteres Buch namens „Der Zuckertütenbaum“ von A. Sixtus.

Darin wird zum ersten Mal die Legende des Zuckertütenbaums erwähnt. Davon existieren zwei Varianten: In der einen wird berichtet, dass dieser Baum im Keller der Schule wachsen würde. Dort pflücken dann die Lehrer die Zuckertüten für die braven Schulanfänger, die sie ihnen am ersten Schultag überreichen. Die andere Variante besagt, dass es Zeit wird für ein Kind, die Schule zu besuchen, sobald die Früchte des Zuckertütenbaums reif sind.

Die Legende des Zuckertütenbaums kann übrigens auf der Webseite der Familie Geiger nachgelesen werden:

http://www.geier-familie.de/zuckertütenbaum/

Traditionsunterschiede zwischen Ost und West

Im Osten ist es auch heute noch üblich, dass die Kinder nicht nur von den Eltern eine gute gefüllte Zuckertüte erhalten, sondern auch von der Verwandtschaft kleinere Exemplare überreicht bekommen. Die Einschulung wird groß gefeiert und ist ein riesiges Familienfest. Im Westen bekommt das Kind normalerweise nur eine Schultüte (im Westen sagt man „Schultüte“ und nicht Zuckertüte) in die Hände gedrückt.

Industrielle Fertigung

Um das Jahr 1910 herum war die Zuckertüte bereits so populär, dass der Fabrikant Carl August Nestler aus Wiesa im Erzgebirge die Zuckertüten industriell zu fertigen begann. Er ist heute Deutschlands größter Hersteller von Schultüten.

Füllung

Auch die Füllung hat sich im Laufe der Zeit erheblich verändert. Im Dritten Reich bestand sie laut Aussagen von Zeitzeugen aus Holzwolle (unten) und Kartoffeln und obenauf ein paar Kekse und häufig auch Spielzeugsoldaten. Später waren es, ganz dem Namen „Zuckertüte“ entsprechend, hauptsächlich Süßigkeiten, Nüsse, Obst oder Kekse. Anschließend kamen dann auch nützliche Gegenstände für die Schule dazu wie beispielsweise Stifte oder Radiergummis.

Statussymbol

Eine Schultüte samt Füllung konnte sich freilich nicht jeder leisten. Auch heute noch ist es nicht selbstverständlich, dass jedes Kind eine riesige Tüte mit teuren Süßigkeiten und Schulbedarf bekommt. Manche Kinder haben gar keine Zuckertüte, andere nur eine kleine. Außerdem sieht man deutlich, welche Tüten gekauft und welche selbst gebastelt sind.

Kinder vergleichen selbstverständlich, welche Tüten sie bekommen haben – und wer die Größte hat, ist der Held. Für die, die eine Kleine oder gar keine haben, ist das deprimierend oder sogar traumatisierend. Daher wird heute von Psychologen davor gewarnt, dass die Tüte von einer netten Tradition zu einer Art Statussymbol verkommen könnte.

Quelle:
http://www.dorsten-transparent.de/…/die-schultute